Planen – Entwerfen – Verwerfen. Und nochmal.

14. April 2022

Wenn man schon den Luxus hat, die Praxis quasi gebaut zu bekommen, dann will man das natürlich bestmöglich nutzen. Die Grundüberlegung war, dass schon durch den Grundriss Arbeitsabläufe optimiert und eine Wohlfühlatmosphäre für Mitarbeiter und Patienten entstehen sollte.

Jetzt gab es also bestehende Räume – das ehemalige Postamt Elsterbergs – die entsprechend umfunktioniert werden durften. Unsere Bauherren Paul und Mayte waren dankenswerterweise total aufgeschlossen und kompromissbereit diesbezüglich.

In dieser Planungsphase kam mir zugute, dass ich bereits in mehreren Praxen gewesen war und daraus mein persönliches „best of“ bilden konnte. Wichtige Punkte, die es zu berücksichtigen galt:

  • Die Gesamtgröße der Praxis: Miet- und Heizkosten vs. Raumanzahl und -größe und Entwicklungspotenzial, z.B. Platz für künftige Studenten, Weiterbildungsassistenten oder angestellte Ärzte.
  • Raumanzahl vs. Raumgröße: was brauche ich an Zimmern, lieber viele kleinere oder wenige größere Räume?
  • Der Patientenflow: Wie bewegen sich Patienten möglichst reibungsarm durch die Praxis? Wie schaffe ich eine Behandlungsatmosphäre, die Ruhe und Vertrauen bringt?
  • Der Mitarbeitflow: was macht für die Arbeitsabläufe Sinn? Wie schaffe ich bereits räumlich Wohlfühlklima für mich und meine Angestellten?
  • Reinigung, Lager, Serverraum, Abstellkammer – was sind Punkte, die ich als Arzt bisher gar nicht so auf dem Schirm hatte, die aber berücksichtigt werden sollten?
  • Und neue Aspekte: Pandemie. Wie kann ich baulich vorsorgen?

All diese Überlegungen in einen bestehenden Grundriss zu pressen war ziemlich anspruchsvoll. Es entstanden eine Menge Pläne, bei denen vor allem die Eindrücke von Dr. Rudolf Wolter in Camburg, Dr. Liv Betge in Jena und Dr. Katja Stengler in Kahla sehr hilfreich waren. Vielen Dank, liebe KollegInnen!

Zum Glück hatten Paul und Mayte und somit auch wir einen Architekten aus Greiz an unserer Seite, dessen Spezialität die Aufbereitung historischer Gebäude sind. So entwickelten wir uns im Grundriss Stück für Stück weiter (ihr seht den Fortschritt auf den Bildern).

 

Matthias Hamann brachte letztendlich unsere Überlegungen so in Form, dass ein moderner Schnitt entstand, zum Preis jedoch von massiven Eingriffen in die Statik des Hauses. Das sind Dinge, die man als Fach-fremder natürlich gar nicht im Blick haben kann. Die tragende Mittelwand des Gebäude wurde fast zur Hälfte entfernt, dafür kamen jede Menge Stahlträger und Stahlbetonverstärkungen fürs Fundament hinzu. Außerdem elf Meter tiefe Bohrlöcher mit Hochdruck-Einspritzung von Spezial-Beton, sodass dieser sich im Erdreich verästelt und das Gebäude praktisch „festkrallt“. Man entschuldige mein laienhaftes Verständnis dieser Dinge. Jedenfalls: das Haus steht noch, und es ist wirklich der Hammer, was Paul und Mayte ermöglicht und auf sich genommen haben, um unseren Grundriss zu optimieren und die Alte Post absolut modern umzubauen.

Die wesentlichen Errungenschaften unseres fertigen Grundrisses sind jetzt aus meiner Sicht folgende:

  • Die Rezeption ist nahe dem Eingang gelegen und komplett in Glas abgekapselt, um diskrete Atmosphäre bei der Anmeldung zu haben.
  • Es gibt einen großzügigen, zentralen Wartebereich für Patienten. Dieser ist dank flexibler Faltwand in Infektzeiten unterteilbar.
  • Der Behandlungsbereich befindet sich gesammelt nahe am Wartebereich. Dorthin führt ein kurzer, aber sehr großzügiger, rollstuhlgerechter Flur.
  • Die Behandlungsräume sind zahlreich bei einem guten Kompromiss von Größe und flexibler Nutzbarkeit (z.B. gleichzeitig als Sprech- und Schulungszimmer).
  • Die Patienten-Toilette hat eine Durchreiche zwecks Urinproben zu einem im Flurschrank versteckten „Minilabor“. Die Kombination direkt zum Labor hätte zu viele andere bauliche Kompromisse gebracht.
  • Der Personalbereich mit Küche, Bad, Garderobe und Sonnenterrasse ist komplett vom Patientenbereich isoliert und für alle auf kurzem, diskreten Weg erreichbar.
  • Es gibt einen Nebeneingang für Patienten ins „Pandemiezimmer“, sodass die Sprechstunden separat weiter laufen könnten.

Toll, dass mal so aufzuschreiben, was wir alles geschafft haben ☺

Ich denke, es sind Räume entstanden, die beste Arbeit- und Behandlungsvoraussetzungen mitbringen. Wer sie mal sehen und erleben möchte, kann sich übrigens gerne melden, ebenso bei Fragen!

Was man neben Räumen noch alles planen und durchdenken kann, lest ihr hier demnächst. Bis dahin.